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Das wichtigste Prinzip im Umgang mit schwierigen Gefühlen deines Kindes
Sie brüllte.
Sie schrie.
Sie schluchzte.
Ihr kleiner Körper zitterte vor lauter Wut.
Ihr Kopf war feuerrot.
Ihre Hände wollten greifen
und kratzen
und schlagen.
So wütend war sie.
Ein Zorn, der sie durchrollte und überrollte.
Ein Zorn, der sie „zum Platzen brachte“.
Was sollte ihre Mutter nur tun?
Garantiert hatten alle Nachbarn schon wieder das Drama mitbekommen.
Immer diese Hausaufgaben.
Jedes Mal, wenn sie ihrer Tochter sagte,
sie soll jetzt endlich mit den Aufgaben anfangen,
dauerte es nicht lange, bis ihre Tochter explodierte.
Jetzt reichte es endgültig.
Man darf sich doch nicht so aufführen.
„Hör sofort auf mit dem Brüllen“ brüllte sie ihre Tochter wütend an.
Von der Schwierigkeit mit schwierigen Gefühlen umzugehen
Kennst du das?
Kinder können oft ganz schön von ihren Gefühlen überrollt werden.
Und dann stecken die Gefühle irgendwie an –
und schon sind wir als Eltern im selben Gefühlskuddelmuddel drin wie unser Kind.
Es ist oft gar nicht so einfach, mit den schwierigen Gefühlen der eigenen Kinder umzugehen.
Erst recht, wenn sie uns als Eltern hilflos machen und wir das Gefühl haben,
nicht zu unserem Kind durchzudringen.
Dabei gibt es ein entscheidendes Prinzip, wie wir als Eltern mit den Gefühlen unseres Kindes im allerersten Schritt umgehen können und dabei bereits helfen:
Das entscheidendste Prinzip
Spiegle die Gefühle deines Kindes!
Was meine ich damit?
Kinder großzuziehen heißt nicht nur,
ihnen eine Heimat zu bieten, ein Basislager, ein Bett, ein Dach über dem Kopf, Nahrung.
Kinder großzuziehen heißt nicht nur,
ihnen die Welt beizubringen und sie zu fördern, ein Instrument, ein Sport, Allgemeinwissen.
Kinder großziehen heißt:
Du legst die Basis für Gefühlsregulation.
Gefühle sind wichtig
Gefühle sind wichtig, um das Leben zu verstehen,
um vor falschen Wegen gewarnt zu sein,
um mit schwierigen Erlebnissen oder Gedanken zurecht zu kommen.
Gefühle sind Leben und Lebendigkeit.
Und die Gefühle kommen.
Als subjektive Reaktion auf das, was dein Kind gerade wahrnimmt, erlebt, interpretiert.
Aber mit den Gefühlen klarzukommen, sie einordnen zu können,
sie regulieren zu können ist am Anfang eines jeden Lebens eine schwere Aufgabe.
Das ist die Aufgabe von Eltern
Dein Job als Mutter, als Vater ist, deinem Kind bei der Gefühlsregulation zu helfen.
Und der erste Schritt, um mit einem Gefühl zurechtzukommen,
ist es, das Gefühl für das Kind zu benennen.
„Oh je, dich machen die Hausaufgaben aber wütend“.
„Na komm her, was machst du denn für ein Gesicht? Was macht dich denn gerade traurig.“
„Ups, wenn ich im Spiel am Gewinnen bin, wirst du ganz schön sauer.“
„Brauchst du das Licht zum Schlafen, weil du sonst Angst hast?“
Es gibt so viele Gelegenheiten und so viele Gefühle.
Halte deinem Kind den Spiegel vor, was du wahrnimmst.
Warum hilft das Benennen von Gefühlen?
Alles, was wir benennen, ist leichter handhabbar.
Dein Kind weiß vielleicht nicht,
wenn es klein ist, was gerade den Bauch so grummelig und die Knie so weich macht.
Gib den Gefühlen ihren Namen.
Dann weiß dein Kind, was in ihm los ist.
Und du wirst sehen, automatisch passiert der nächste Schritt:
„Ja die blöden Hausaufgaben, immer verlangt die Lehrerin so schwieriges Zeug. Mama schau mal, wie lang das Gedicht ist. Das kann sich doch kein Mensch merken.“
Ah. Jetzt wird es klar.
Das Kind fühlt sich gerade überfordert und braucht vielleicht Unterstützung,
damit es sich das Gedicht leichter merken kann.
Du erfährst die wahren Gründe für die Launen deines Kindes am schnellsten,
wenn es sich verstanden fühlt.
Versuche dein Kind zu verstehen, was es
wütend,
traurig,
ängstlich,
ärgerlich,
eifersüchtig,
verunsichert,
erschrocken,
panisch,
neidisch,
bekümmert,
erschlagen,
enttäuscht,
beklommen,
deprimiert,
gelangweilt,
hilflos,
ungeduldig,
verzweifelt,
hilflos
fühlen lässt.
Wie wäre es mit einem Experiment?
Was hältst du davon,
wenn du ab heute 1 Woche lang
dein Kind immer mal wieder in seinen Gefühlen spiegelst?
Benenne in den nächsten 7 Tagen das Gefühl deines Kindes, so oft dir ein Gefühl gerade auffällt.
„Was ist los, du schaust so…“
„Kann es sein, dass du … bist?“
„Ich kann schon verstehen, wenn es dir … geht.“
Spiegle die Gefühle deines Kindes und beobachte, was sich verändert.
Manche Eltern sagen: Aber dann mach ich doch die Gefühle größer!
Das stimmt und stimmt auch wieder nicht.
Es stimmt, denn du öffnest die Tür zu den Gefühlen.
Zugleich öffnest du aber die Tür zum Verständnis.
Du wirst vielleicht erleben,
dass die Wut anfangs größer wird
oder dass die Traurigkeit nicht nur hintergründig da ist, sondern tatsächlich Tränen fließen.
Aber du wirst auch erleben,
dass dein Kind lernt, sich zu regulieren,
wenn es sich verstanden fühlt.
Und dann sind die Gefühle nicht nur verdrängt
und weggeschoben und lauern vielleicht doch noch irgendwo im Hintergrund,
sondern dein Kind hat sich gesehen gefühlt und wahrgenommen mit dem wie es ihm tatsächlich geht.
Probier es mal aus – für 1 Woche und schau, was sich verändert.
Herzliche Grüße
Dein Stefan Hetterich